21
Dez
2008

Protestkultur und Massenmedien

Die Symbolik der Protestcodes und ihre Wirkung auf die Massenmedien - vor dem Hintergrund der Studenten-, Bürgerrechts- und Friedensbewegung als Protestkulturen der 1960iger Jahre


Kleidercodes als hedonistischer Selbstverwirklichungsstil

Die unterschiedlichen expressiven Kleiderstile der verschiedenen Subkulturen sind Formen eines kommunikativen „Codes“, hinsichtlich der Kleidung, eine Absage an das konservative Bürgertum und die Repräsentationskultur der Massenmode. Es ist der Code des skeptischen Verweigerungsstils. An die Stelle der Stangenwaren des Massenkonsums treten schrille, expressive und kreative Stile und bunte, selbstgemachte Mode, die Individualität und Authentizität ausdrücken sollen.
Hinzu kommen lange, wilde (auch ungewaschene) Haare und selbstdefinierte körperliche Haltungen, wie z.B. das Einnehmen einer bequemen und entspannten Körperhaltung und das demonstrative auf dem Boden sitzen oder liegen, die sich an in neune Lebensmodellen und Formen des Zusammenlebens ausdrücken – den Kommunen.

Expressive Körpercodes als Botschaft des politischen und öffentlichen Protests

Erstmals werden etablierte kulturelle Werte, Lebensformen und emotionale Verhaltensmuster zur Disposition gestellt, die in provokativer öffentlicher Repräsentation und der Strategie der symbolischen Vereinnahmung und Besetzung des öffentlichen Raumes mit expressiven Codes der „begrenzten Regelverletzung“, des „zivilen Ungehorsams“ und „Tabubrüchen“ mit „Happenings“, „Sit-ins“, „Go-ins“, „Teach-ins“ also inszenierten Aktionen, Sitzstreiks und Blockaden zum Ausdruck kommen und bald zum integralen Bestandteil einer Öffentlichkeitsstrategie werden, wie auch die Demonstrationen, Kampagnen oder Versammlungen, die in die symbolische Ordnung des öffentlichen Raumes eingreifen.

Während der Demonstrationen, die zur maßgeblichen Form der politischen Willensartikulation werden, inszenieren sich die Protestierenden als symbolische Kollektivkörper und setzen die statischen und hierarchischen Ordnungsregeln außer Kraft.

Damit provozieren die Protestbewegungen bewusst das etablierte Wertesystem der Mehrheit und setzen dem Wertesystem visuell-symbolische Protestformen gegenüber und ziehen damit unweigerlich die Aufmerksamkeit der Massenmedien auf sich, die sich zum entscheidenden Multiplikator der expressiven Kommunikationsstrategien entwickeln, da sie auf eine neue Form der audio-visuellen und emotionalisierten Form der Vermittlung in der Berichterstattung – also das Spektakuläre und Ereignishaft – abzielen. Die Medien entwickeln sich dabei zum wichtigsten Allianzpartner der Bewegungen, die wiederum umgekehrt die Medien programmatisch nutzen:
Einerseits instrumentell, um Öffentlichkeit zu erzeugen und Druck auf die politischen Entscheidungsträger auszuüben, andererseits expressiv, als Inszenierung neuer Protestformen und „sichtbaren“ Regelverstößen in visueller Darstellung in Form einer körperlichen Mobilmachung.

Die Massenmedien in den 1960iger Jahren Differenzierung des Fernsehens

Anfang der 1960iger tritt eine Differenzierung der Programme in Rundfunk und Fernsehen ein. Hinzu kommt die Professionalisierung und Verbesserung spezifischer Arbeitsbereiche, wie der Bildregie, Kameratechnik, des Schnitts und der Ausstattung. Es folgt die Durchsetzung der MAZ – Technik und die Einführung des Farbfernsehens. Zu diesem Zeitpunkt entdeckt das Fernsehen neue Formen des Dokumentarismus und eigene Formen der Visualität und Ästhetik. Das „LIVE – Prinzip“ und die inszenierte, simultane Teilhabe an Ereignissen setzen sich durch. Es erfolgt die Ausrichtung auf audio – visuelle und emotionalisierte Formen der Vermittlung. Zusätzlich „globalisiert“ sich die Wahrnehmung mit dem Vietnamkrieg, dem ersten Krieg im Fernsehen – live und in Farbe.

Die Medien schreiben sich damit als kulturelle Deutungsinstanzen bereits zu Beginn in die Entstehungsgeschichte der Protestbewegungen in den 1960iger Jahren ein. Schon damals erkennen sie den medialen Ereignischarakter symbolischer Protestformen wie „Happenings“ und „Sit-Ins“, expressiver Kleidercodes, sowie von polarisierenden Bildern.

Mit kanonischen Fotos und Fernsehmitschnitten von Straßenkämpfen, Demonstrationen und Tabubrüchen aller Art, mit Rocksound unterlegt, werden die 1960er Jahre von den Medien als inszeniertes Ereignis und als herausragendes Moment stilisiert.


Literatur:
Klimke, Martin, Scharloth, Joachim (Hrsg.), Handbuch zur Kultur- und Mediengeschichte der Studentenbewegung, Bonn(2008).
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