Der Dokumentarfilm der 60er Jahre - Direct Cinema und Radical Cinema
Der Dokumentarfilm der 60iger Jahre – Direct Cinema und Radical Cinema
Der Dokumentarfilm revitalisierte sowohl in technischer, methodischer wie auch ideologischer Hinsicht neuen Schwung, Unabhängigkeit und klare Zielsetzungen für eine Epoche, die geprägt war von sozialen Polarisierungen, politischen Demonstrationen, medienbewusstem „Narzissmus“, einer Selbstdarstellung der Alltagskultur, politischen Umschwüngen und Strömungen und der Fernsehaufbereitung der „Wirklichkeit“.
Zugleich profitierte der Dokumentarfilm von dieser Situation, wurde dadurch vorangetrieben und weiter entwickelt . Die filmische Verarbeitung der sozialen Realität, das konfrontative Weiterdenken und das Herausarbeiten der Prozesse und Probleme wurden vom Dokumentarfilm der 60iger Jahre präzisiert und systematisch betrieben.
Daher bildete der Dokumentarfilm für dieses Jahrzehnt eine ergiebige Quelle, da er mit einer eigenen Tradition und eigenen rhetorischen Mitteln arbeitete. Aus diesem Grund und durch seinen Anschauungscharakter unterschied er sich von der journalistischen Reportage und der filmischen Darstellung. Mit der Dokumentation der politischen Kultur, fokussierte er das Klima der Zeit und den Ton, die non – verbalen gestischen Codes und das Verhalten der sozialen Bewegungen, verschiedener Gesellschaftsschichten – des Establishment und der Subkultur. Oder sie verdeutlichten die Imagepflege von Politikern, das Selbstverständnis der Polizei oder Hippies, die Funktion der Ausbildung und Erziehung im Alltag, das Selbstbewusstsein und die Mittel der amerikanischen Minoritäten.
Mit dem »beobachtenden Modus« des um 1960 sich entwickelnden Direct Cinema und seines französischen Pendants, des Cinéma Vérité, der auf der Basis einer neuen, beweglicheren
Kameratechnik und Synchrontontechnologie operierte, etablierte sich zugleich eine neuartige Produktionsästhetik der »Unmittelbarkeit« bei weitest gehender Zurückdrängung eines Kommentars. Das filmische Versprechen – die wahrnehmende Teilhabe wurde gleichbedeutend mit der Teilhabe an einer in der Dokumentation aufgehobenen Realität. Dabei schrumpfte der erkenntniskritische Abstand zwischen der Welt und ihrem Bild mit dem Direct Cinema auf Null.
Der interaktive Dokumentarfilm der 60er Jahre, der sich vor allem auf Interviews nach der Methode der „Oral History“ stützte, in denen die Befragten vorzugsweise aus sozialen Randgruppen Gelegenheit erhielten, ihre „Geschichte“ vor der Kamera öffentlich zu erzählen, verstärkte mit der Möglichkeit der direkten Zuschauer-Teilhabe - den vom Direct Cinema
intendierten Effekt einer unmittelbaren Wahrnehmung authentischer Wirklichkeit.
Im Verlauf der 60iger Jahre entwickelte sich das amerikanische Direct oder uncontrolled Cinema zu einer einflussreichen filmischen Bewegung.
Eine wichtige Funktion übernahm dabei die Montage, die idealerweise der natürlichen Chronologie der Ereignisse folgen sollte. War dies nicht möglich oder wenig sinnvoll, „schnitt“ man das Filmmaterial derart, dass eine tatsächlicher Ablauf suggeriert wurde, da es vornehmlich um die Glaubwürdigkeit des Gezeigten ging. Ein weiterer Aspekt dabei war der unbedingte Objektivitätsanspruch. (siehe Beitrag: „Konzertfilme und Popularfilme“ – Direct Cinema von November 08)
Parallel zum Direct Cinema entwickelte sich gegen Ende der 60er Jahre die dokumentarische Strömung des Radical Cinema, die von politischen Gruppierungen, die der Studentenbewegung nahe standen oder aus ihr hervorgegangen waren, von linken Intellektuellen getragen wurde und nun in erster Linie über das Medium Film aktiv in den politischen Bewusstseinsbildungsprozess eingreifen wollte.
Trotz des gemeinsamen Anspruchs – der Direct Cinema und der Radical Cinema Produzenten – Gegenöffentlichkeit herzustellen, unterschieden sich die politischen und ästhetischen Standpunkte der einzelnen Filmemacher des Radical Cinema und damit auch die Stoßrichtung ihrer Filme zum Teil erheblich. Dies spiegelte sich auch im unterschiedlichen Einsatz der ihnen zur Verfügung stehenden filmischen Mittel und den inhaltlichen Aspekten wider.
Fortsetzung im nächsten Beitrag: Radical Cinema.
Literatur: Mo, Beyerle, Christine N., Brinckmann (Hg.), Der amerikanische Dokumentarfilm der 60er Jahre, Direct Cinema und Radical Cinema, Campus Forschung, Band 659, Frankfurt am Main / New York (1991).
Der Dokumentarfilm revitalisierte sowohl in technischer, methodischer wie auch ideologischer Hinsicht neuen Schwung, Unabhängigkeit und klare Zielsetzungen für eine Epoche, die geprägt war von sozialen Polarisierungen, politischen Demonstrationen, medienbewusstem „Narzissmus“, einer Selbstdarstellung der Alltagskultur, politischen Umschwüngen und Strömungen und der Fernsehaufbereitung der „Wirklichkeit“.
Zugleich profitierte der Dokumentarfilm von dieser Situation, wurde dadurch vorangetrieben und weiter entwickelt . Die filmische Verarbeitung der sozialen Realität, das konfrontative Weiterdenken und das Herausarbeiten der Prozesse und Probleme wurden vom Dokumentarfilm der 60iger Jahre präzisiert und systematisch betrieben.
Daher bildete der Dokumentarfilm für dieses Jahrzehnt eine ergiebige Quelle, da er mit einer eigenen Tradition und eigenen rhetorischen Mitteln arbeitete. Aus diesem Grund und durch seinen Anschauungscharakter unterschied er sich von der journalistischen Reportage und der filmischen Darstellung. Mit der Dokumentation der politischen Kultur, fokussierte er das Klima der Zeit und den Ton, die non – verbalen gestischen Codes und das Verhalten der sozialen Bewegungen, verschiedener Gesellschaftsschichten – des Establishment und der Subkultur. Oder sie verdeutlichten die Imagepflege von Politikern, das Selbstverständnis der Polizei oder Hippies, die Funktion der Ausbildung und Erziehung im Alltag, das Selbstbewusstsein und die Mittel der amerikanischen Minoritäten.
Mit dem »beobachtenden Modus« des um 1960 sich entwickelnden Direct Cinema und seines französischen Pendants, des Cinéma Vérité, der auf der Basis einer neuen, beweglicheren
Kameratechnik und Synchrontontechnologie operierte, etablierte sich zugleich eine neuartige Produktionsästhetik der »Unmittelbarkeit« bei weitest gehender Zurückdrängung eines Kommentars. Das filmische Versprechen – die wahrnehmende Teilhabe wurde gleichbedeutend mit der Teilhabe an einer in der Dokumentation aufgehobenen Realität. Dabei schrumpfte der erkenntniskritische Abstand zwischen der Welt und ihrem Bild mit dem Direct Cinema auf Null.
Der interaktive Dokumentarfilm der 60er Jahre, der sich vor allem auf Interviews nach der Methode der „Oral History“ stützte, in denen die Befragten vorzugsweise aus sozialen Randgruppen Gelegenheit erhielten, ihre „Geschichte“ vor der Kamera öffentlich zu erzählen, verstärkte mit der Möglichkeit der direkten Zuschauer-Teilhabe - den vom Direct Cinema
intendierten Effekt einer unmittelbaren Wahrnehmung authentischer Wirklichkeit.
Im Verlauf der 60iger Jahre entwickelte sich das amerikanische Direct oder uncontrolled Cinema zu einer einflussreichen filmischen Bewegung.
Eine wichtige Funktion übernahm dabei die Montage, die idealerweise der natürlichen Chronologie der Ereignisse folgen sollte. War dies nicht möglich oder wenig sinnvoll, „schnitt“ man das Filmmaterial derart, dass eine tatsächlicher Ablauf suggeriert wurde, da es vornehmlich um die Glaubwürdigkeit des Gezeigten ging. Ein weiterer Aspekt dabei war der unbedingte Objektivitätsanspruch. (siehe Beitrag: „Konzertfilme und Popularfilme“ – Direct Cinema von November 08)
Parallel zum Direct Cinema entwickelte sich gegen Ende der 60er Jahre die dokumentarische Strömung des Radical Cinema, die von politischen Gruppierungen, die der Studentenbewegung nahe standen oder aus ihr hervorgegangen waren, von linken Intellektuellen getragen wurde und nun in erster Linie über das Medium Film aktiv in den politischen Bewusstseinsbildungsprozess eingreifen wollte.
Trotz des gemeinsamen Anspruchs – der Direct Cinema und der Radical Cinema Produzenten – Gegenöffentlichkeit herzustellen, unterschieden sich die politischen und ästhetischen Standpunkte der einzelnen Filmemacher des Radical Cinema und damit auch die Stoßrichtung ihrer Filme zum Teil erheblich. Dies spiegelte sich auch im unterschiedlichen Einsatz der ihnen zur Verfügung stehenden filmischen Mittel und den inhaltlichen Aspekten wider.
Fortsetzung im nächsten Beitrag: Radical Cinema.
Literatur: Mo, Beyerle, Christine N., Brinckmann (Hg.), Der amerikanische Dokumentarfilm der 60er Jahre, Direct Cinema und Radical Cinema, Campus Forschung, Band 659, Frankfurt am Main / New York (1991).
deluxe-enterprises.de - 6. Jan, 22:52